Vaihingen. Emma, Ina und Emma haben es sich am Samstagmorgen auf dem Schulhof der Ferdinand-Steinbeis-Realschule (FSR) bequem gemacht. Die drei Neuntklässlerinnen der Ottmar-Mergenthaler-Realschule aus Kleinglattbach füllen ein paar Formulare aus. In die Vaihinger Kernstadt sind sie nämlich wegen der Ausbildungsmesse gekommen, die dieses Mal in der Stadthalle und im Foyer der benachbarten FSR stattfindet. Der Besuch ist für sie Pflicht. Daher müssen sie nachweisen, dass sie mindestens zwei Gespräche mit teilnehmenden Firmen oder Institutionen geführt haben.
Den Stand der Drogerie dm finden alle Drei spannend. „Das ist einfach der Traum jedes Mädchens“, sagen sie lachend. Aber auch bei der Stadtverwaltung haben sie sich an diesem Tag schon über eine Ausbildung informiert. Die Jugendlichen haben noch etwas Zeit, sich über den späteren Berufsweg Gedanken zu machen. Ernst wird es für sie in circa einem Jahr. Davor geht es für sie um Praktika. Emma geht dafür in einen Kindergarten, Ina schaut sich in der Stadtverwaltung Bad Kreuznach um und Emma macht ein Praktikum im Managementbereich einer Firma. Ihr Mitschüler Tyron aus der zehnten Klasse hat sich dagegen schon fast entschieden. Er will Industriemechaniker oder Fachmann für Wassertechnik werden. Dafür hat er sich am Samstag an den Ständen der Ausbildungsmesse umgeschaut. „Ich mag Technik“, sagt er. Auch er will vor seiner endgültigen Entscheidung aber nochmal ein Praktikum absolvieren.
Genau das ist der Sinn der Vaihinger Ausbildungsmesse, die am vergangenen Wochenende zum 21. Mal stattfindet. Hier sollen die jungen Menschen schon vor einer Bewerbung ihre Fähigkeiten mit den Berufsbildern abgleichen, sagt Jürgen Sämann zu Beginn der Veranstaltung. Der erste Vorsitzende des Gewerbevereins in-Vai ist mit seiner Firma Gebr. Ezel selbst mit einem Stand vor Ort und wirbt gleich mal fürs Handwerk. Dort sei die Zufriedenheit mit dem eigenen Beruf besonders hoch, habe eine Untersuchung ergeben. Und wer in der Lehre doch merke, dass der gewählte Beruf nicht das Richtige ist, könne noch immer wechseln. „Das einmal Gelernte nimmt einem niemand mehr weg“, betont Sämann. Wichtig sei halt ein Abschluss. Das sehe im Lebenslauf immer besser aus.
Die Vaihinger Ausbildungsmesse habe sich über die Jahre toll entwickelt und biete den Jugendlichen „Informationen auf Augenhöhe“, so Sämann. Denn nicht nur Firmenchefs sind vor Ort, sondern auch zahlreiche Auszubildende. Etwa der Vaihinger Stadtverwaltung. Denn, so betont auch Oberbürgermeister Uwe Skrzypek: „Junge Leute können wir immer gebrauchen.“ Über zehn verschiedene Berufsbilder, die im Rathaus erlernt werden können, wird an diesem Tag informiert. Eine gute Ausbildung sei die beste Vorbereitung auf die Zukunft, so der OB. Die Welt ändere sich immerzu, was eine ständige Anpassung an die neuen Rahmenbedingungen erfordere. „Wenn man gut vorbereitet ist, braucht man auch keine Angst vor der Zukunft haben.“
Und das gilt gleichmaßen in ganz verschiedenen Sparten. In der Vaihinger Stadthalle und in der FSR präsentieren sich am Samstag 52 Unternehmen oder Einrichtungen. Das seien so viele wie im vergangenen Jahr, sagt Josephin Behling im Gespräch mit der VKZ. Die Projektleiterin Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing ist bei der Stadtverwaltung für die Organisation der Messe zuständig. Wegen Umstrukturierungen in der Stadtverwaltung allerdings zum letzten Mal. Behling freut sich aber auch bei ihrer letzten Ausbildungsmesse über die Vielfalt der Berufsbilder. Es gibt Firmen aus dem Baugewerbe, aus der Metallverarbeitung, aus dem Lebensmittelbereich, von Versicherungen und Banken, Pflege und Erziehung und vieles mehr. Freilich ist auch die Vaihinger Kreiszeitung mit einem Stand vertreten.
„Kleine Zugpferde“ sind laut Behling immer die Berufe in Uniform: Polizei und Zoll. Auch am Samstag ist an diesen Ständen im Foyer der FSR viel los. Geschickterweise haben die Organisatoren gleich daneben auch Branchen platziert, die nicht ganz so gefragt sind. Etwa die Altenpflege. Das Vaihinger Karl-Gerok-Stift und das Haus im Schlösslesgarten in Hochdorf informieren an einem gemeinsamen Stand über die Ausbildung. „Es gibt wenige Berufe, wo man so viele Aufstiegschancen hat“, findet der Hochdorfer Hausdirektor Michael Dohrmann. Er selbst habe nach dem Hauptschulabschluss die Ausbildung gemacht und leite nun die Einrichtung. Für ihn der schönste Job überhaupt. „Man weiß jeden Tag, dass man etwas Sinnvolles tut.“ Durch die Zusammenlegung der früher eigenständigen Ausbildungsberufe Altenpfleger, Kinderkrankenpfleger und Krankenpfleger könne man später in jedem der genannten Bereiche arbeiten, ergänzt Jasmin Benedikt vom Gerok-Stift. Auf Nachwuchs für sein Team hofft auch Frank Kontermann, Geschäftsführer der Vaihinger Sozialstation. Er hält bereits die Bewerbungsmappe einer Schülerin in Händen und freut sich sehr darüber.
Mathias Maier, Inhaber der Horrheimer Firma Romai, bildet derzeit zehn junge Menschen aus. Mit Emily Weilbacher hat er eine Auszubildende an diesem Tag mitgebracht. Und die bereits ausgelernte Industriekauffrau Selina Infini noch dazu. „Man sollte gerne mit Metall arbeiten“, erklären sie die optimalen Voraussetzungen für eine Lehre bei Romai. Dass es an Bewerbern und vor allem an guten Bewerbungen fehlt, hat Mathias Maier in den vergangenen Jahren auch bemerkt. Inzwischen habe sich die Lage aber wieder gebessert.
Keine Probleme mit dem Nachwuchs gibt es offenbar in der Vaihinger Kieferorthopädiepraxis Crull. Mit zahnförmigen Luftballons lenkt der Stand die Blicke auf sich. Kieferorthopädin Dr. Maja von Manstein hat gleich mehrere zahnmedizinische Fachangestellte dabei, die über ihren Beruf berichten können. Wichtig sei Organisationstalent, um den Praxisalltag zu managen, sagt sie. Und natürlich der Umgang mit den Kunden. Dabei dürfe man keine Hemmungen haben. Um das „Bohren und Zähne ziehen“ gehe es in der Kieferorthopädie weniger, mehr um das Anfertigen von Zahnspangen. Wer die Ausbildung absolviere, könne aber auch in jeder Zahnarztpraxis anfangen.
So manches Missverständnis über seinen Beruf muss auch Stuckateur Julian Pinkau ausräumen. „Manche halten uns für Maler“, sagt der junge Meister, der im elterlichen Betrieb in Eberdingen tätig ist. Gleich mehrere „Gipser“ aus dem Raum Vaihingen haben sich am Samstag an einem gemeinsamen Stand zusammengetan. Dort kann man beispielsweise eine Virtual-Reality-Brille aufsetzen und erleben, wie es beim Arbeiten auf einer Baustelle zugeht. Oft gebe es eben falsche Vorstellungen, erklärt Pinkau. Viele junge Menschen wollten sich nicht „die Hände schmutzig machen“ und entschieden sich deshalb lieber für ein Studium. Dabei gebe es auch in seinem Beruf längst viele technische Hilfsmittel, die die Arbeit vereinfachten. Am Stand können Interessierte gleich mal lernen, wie man Herzen aus Gips gießt oder wie man kunstvolle Wandverzierungen herstellt. Für Pinkau ist das ohnehin das Schöne an diesem Beruf: „Man sieht, was man geschafft hat.“
Quelle: Vaihinger Kreiszeitung vom 20.01.2025